Mein Weg zu Linux – Teil 1: Das Vorhaben im Unternehmen
Im Hauptartikel hatte ich beschrieben, dass ich als Einzelunternehmer meine Entscheidungen selbst treffen und umsetzen kann. In vielen mittelständischen Unternehmen ist das jedoch anders. Hier müssen verschiedene Shareholder überzeugt werden, und man benötigt die Unterstützung des Vorstands sowie der IT-Abteilung. In diesem Beitrag möchte ich beschreiben, wie man ein solches Projekt einleiten und das Unternehmen gezielt darauf vorbereiten kann.
Teil 1.1 – Ein symbolisches Feindbild schaffen
Mit „Feindbild“ meine ich keine Strategie, die auf Ablehnung oder Hass basiert, sondern eine, die durch Abgrenzung und Werte funktioniert. Ziel ist es, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen, wofür das Unternehmen steht – und wogegen es sich positioniert. Dabei können Werte wie Unabhängigkeit, Freiheit und Verantwortung als Leitgedanken dienen. So lässt sich der Abhängigkeit von großen Softwareanbietern, Datensammelwut, künstlicher Hardware-Obsoleszenz und überteuerten Lizenzverträgen bewusst etwas entgegensetzen.
- Freiheit: „Wir holen uns unsere digitale Freiheit zurück!“
- Datenschutz: „Unsere Daten gehören uns!“
- Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit: „Wir lassen uns nicht vorschreiben, wann unsere Hardware alt ist!“
Eine gute Kommunikationsstrategie berücksichtigt unterschiedliche Mitarbeitertypen. Strategisch gesehen schafft das Unternehmen Unabhängigkeit, reduziert Hardware- und Lizenzkosten und behält die volle Kontrolle über seine Daten.
Ein mögliches Leitbild
„Wir glauben an digitale Selbstbestimmung und nachhaltige Technologie. Unser Ziel ist eine IT, die frei von überteuerten Lizenzen, unnötiger Kontrolle und Datensammelwut ist – und zugleich Ressourcen schont. Jedes Jahr, das wir unsere Geräte länger nutzen, ist ein Schritt zu mehr Verantwortung: für unsere Mitarbeiter, unsere Daten und unsere Umwelt.“
Um dieses Leitbild greifbar zu machen, sollten messbare Ergebnisse kommuniziert werden: Lizenzkosten lassen sich um X % senken, die Hardware-Nutzungsdauer verlängert sich um X Jahre und spart dadurch X Euro. Abo-Preise von Software X konnten um 100 % bzw. X Euro reduziert werden – etwa durch den Wechsel von einer kommerziellen Notiz-App zu einer Open-Source-Alternative. Auch Cloudkosten oder kommerzielle Dienstleistungen wie Mailserver oder Wissensdatenbanken lassen sich deutlich verringern. Das Feindbild wird so nicht emotional, sondern sachlich und messbar „bezwingbar“.
Wichtig ist dabei eine wertorientierte Kommunikation. Feindbilder dürfen keine Marken oder Personen direkt angreifen. Nur so bleibt das Vorhaben nachvollziehbar, professionell und gegenüber Shareholdern vertretbar.
Kommunikationsansätze für Shareholder
- Emotionaler Aufhänger: „Wir alle kennen das Gefühl, Lizenzen blind verlängern zu müssen, obwohl wir das gar nicht wollen.“ – Erzeugt Zustimmung und gemeinsame Basis.
- Werteargument: „Wir wollen Verantwortung für unsere Daten übernehmen.“ – Verknüpft Ethik und Compliance.
- Wirtschaftliches Argument: „Unsere Investition fließt in Mitarbeiter und Know-how, nicht in Lizenzverlängerungen.“ – Schulungskosten werden zur Kompetenzinvestition.
- Strategisches Argument: „Open Source ist kein Sparprogramm – es ist ein Unabhängigkeitsprogramm.“ – Zukunftssicherheit statt Kostendruck.
- Risikoausgleich: „Wir behalten die Option, einzelne Tools parallel zu betreiben, bis die Migration stabil läuft.“ – Sicherheit schafft Vertrauen.
- Umweltschutz: „Mit Linux verlängern wir den Lebenszyklus unserer Hardware und reduzieren Elektroschrott, CO₂-Ausstoß und Ressourcenverbrauch.“ – Wirtschaftlichkeit trifft Nachhaltigkeit.
Shareholder und Unterstützer einbinden
Ein solches Projekt beginnt meist als Idee – als zartes Pflänzchen. Um es wachsen zu lassen, braucht es Unterstützung. Deshalb sollte man frühzeitig prüfen, wie die Shareholder zu dem Thema stehen, und gezielt Fürsprecher im Unternehmen gewinnen. Diese Unterstützer sind entscheidend, um Vertrauen aufzubauen und Begeisterung zu erzeugen.
Typische Gegenargumente bei der Umstellung auf Linux
Wer den Wechsel von Windows auf Linux plant, stößt fast immer auf ähnliche Bedenken. Manche Einwände sind berechtigt, andere entstehen aus Gewohnheit oder Unsicherheit. Wichtig ist, sie ernst zu nehmen – und mit Fakten, Planung und klaren Vorteilen zu begegnen. Linux ist heute kein Experiment mehr, sondern eine stabile, wirtschaftliche und nachhaltige Alternative.
„Unsere Mitarbeiter kennen nur Windows – das wird zu kompliziert“
Die Sorge um Schulungsaufwand und Produktivität ist verständlich. In der Praxis zeigt sich jedoch: Moderne Linux-Desktops wie Ubuntu, Linux Mint oder Zorin OS ähneln Windows stark. Nach einer kurzen Einarbeitung arbeiten viele Nutzer sogar effizienter, weil das System stabiler läuft und weniger Ablenkung bietet. Schulungen sind daher keine Kosten, sondern eine Investition in Kompetenz und digitale Souveränität.
„Unsere Fachsoftware läuft nur unter Windows“
Dieses Argument ist oft technisch, aber lösbar. Zuerst sollte geprüft werden, welche Anwendungen wirklich kritisch sind. Viele Spezialprogramme lassen sich heute über Web- oder Cloudlösungen nutzen. Andere laufen in virtuellen Maschinen, Containern oder per Remote Desktop weiter. So lässt sich eine hybride Umgebung schaffen: Linux dort, wo es sinnvoll ist, Windows nur noch für einzelne Spezialfälle.
„Das wird teurer als gedacht“
Schulungskosten fallen einmalig an – Lizenzkosten dagegen jedes Jahr. Linux verlängert die Hardware-Lebensdauer, senkt Wartungskosten und reduziert Ausfallzeiten. Nach zwei bis drei Jahren kippt die Bilanz klar zugunsten von Linux.
„Open Source ist unsicher“
Das Gegenteil ist der Fall. Sicherheit entsteht durch Transparenz, nicht durch Geheimhaltung. Da der Quellcode offenliegt, werden Schwachstellen schneller entdeckt und behoben. Viele der sichersten Systeme weltweit – etwa bei Google, Amazon oder der NASA – basieren auf Linux.
„Wer hilft uns, wenn etwas nicht funktioniert?“
Professioneller Linux-Support ist längst etabliert. Anbieter wie Canonical, SUSE oder Red Hat bieten Service-Level-Agreements mit festen Reaktionszeiten. Interne oder externe IT-Dienstleister können zusätzlich den First-Level-Support übernehmen. Linux ist damit nicht schlechter betreut als Windows – nur unabhängiger.
Einwände verstehen – und Vertrauen schaffen
Jede Veränderung weckt Skepsis. Doch wer Argumente vorbereitet, Pilotphasen plant und Mitarbeiter einbindet, kann Vorbehalte in Motivation verwandeln. Eine Linux-Umstellung ist kein Risiko, sondern ein Schritt zu mehr Freiheit, Nachhaltigkeit und digitaler Selbstbestimmung – besonders in kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Hintergründe: Künstliche Hardware-Obsoleszenz – Wenn Geräte künstlich altern
In vielen Unternehmen entsteht der Eindruck, dass Computer und Laptops nach drei bis fünf Jahren automatisch veraltet sind. Doch oft stimmt das nicht. Die Geräte funktionieren technisch einwandfrei – sie werden lediglich durch künstliche Hardware-Obsoleszenz ausgebremst. Damit ist gemeint, dass Hersteller durch Software, Treiber oder Supportpolitik den Lebenszyklus ihrer Produkte absichtlich verkürzen, um neue Käufe anzuregen.
Eine der häufigsten Formen ist die gezielte Steigerung der Systemanforderungen. Neue Versionen von Betriebssystemen oder Bürosoftware verlangen plötzlich deutlich mehr Leistung. Alte Rechner sind dadurch nicht defekt, sondern nur subjektiv „zu langsam“. Die Hardware ist in Ordnung – sie scheitert an künstlich erhöhten Anforderungen.
Ein weiterer Mechanismus ist die Einstellung von Treibern. Wenn Hersteller für ältere Geräte keine neuen Treiber mehr bereitstellen, verlieren funktionsfähige Komponenten ihre Kompatibilität. Gleiches gilt, wenn der Sicherheits-Support endet – etwa nach dem „End of Life“ von Windows 10. Unternehmen werden so gezwungen, neue Systeme und damit neue Hardware einzusetzen.
Hinzu kommen technische Sperren, etwa durch BIOS- oder UEFI-Locks, Secure-Boot-Zertifikate oder TPM-Zwang. Diese sollen angeblich Sicherheit schaffen, schränken aber die Freiheit ein, alternative Systeme oder Upgrades selbst zu installieren. Schließlich spielt auch das Marketing eine Rolle: Werbung vermittelt das Gefühl, nur wer die neueste Hardware besitzt, arbeite effizient und modern – obwohl das Gegenteil oft zutrifft.
Linux bietet hier eine nachhaltige Gegenstrategie. Das System läuft stabil auf älterer Hardware, erhält langfristige Sicherheitsupdates und ermöglicht eine deutlich längere Nutzungsdauer. Unternehmen sparen dadurch nicht nur Geld, sondern leisten auch einen Beitrag zum Umweltschutz. Jeder Rechner, der ein oder zwei Jahre länger produktiv bleibt, reduziert Elektroschrott, CO₂-Ausstoß und Ressourcenverbrauch – ganz ohne Leistungsverlust.
Künstliche Obsoleszenz ist also kein technisches, sondern ein systemisches Problem. Wer sich davon löst, gewinnt echte digitale Selbstbestimmung – und zeigt, dass nachhaltige IT kein Verzicht, sondern Fortschritt ist.

